Vom Lagerhaus zur Top-Adresse
Mannheims neuer alter Speicher 7
Rost-Look, Street-Art und PV-Module sind nur drei von zahlreichen Besonderheiten, die es am revitalisierten Rheinvorlandspeicher im Mannheimer Hafen zu entdecken gibt. Was Architekt Peter Schmucker und sein Team aus dem betagten Betonkubus gemacht haben, muss man mit eigenen Augen sehen, um die Raffinesse dieser Umgestaltung zu begreifen: die Ursprünglichkeit der Materialität, das Zusammenwirken der Details, die Selbstverständlichkeit des Unverhofften.
Mannheim mausert sich. Die alte Industriestadt in der Kurpfalz wird mit jedem Umbau, jeder gelungenen Sanierung mehr und mehr zum deutlich wahrnehmbaren Zugpferd der Rhein-Neckar-Metropol-Region. Die Erweiterung der City vollzieht sich mit Siebenmeilenstiefeln: Was gestern noch ein Vorort war, ist schon morgen Teil des Zentrums. Urbanes Leben spielt sich ab, wo vor gar nicht allzu langer Zeit fast ausschließlich produziert, verladen und gelagert wurde. Weltstädtisches Flair umweht den Hafen, seit es dort den neuen alten Speicher 7 gibt.
Einst Lager für Getreide
Das vormals rein funktionale Betongebäude blickt auf eine wenig spektakuläre Geschichte zurück: 1957 wurde im Mannheimer Hafen ein riesiger Vorratsspeicher gebaut, um die Bevölkerung während des Kalten Krieges im Notfall mit Getreide zu versorgen. Mit der Wende wurde diese Vorsorgemaßnahme entbehrlich – und der Rheinvorlandspeicher stand leer. Obgleich es einige Interessenten gab, scheuten letztlich doch alle die immensen Kosten, die ein Rückbau der enthaltenen Getreidesilos mit sich bringen würde. Der Mannheimer Architekt Peter Schmucker aber war von der direkten Lage am Rhein fasziniert. Er ersann ein ungewöhnliches Umnutzungskonzept, das so einfach wie verblüffend klingt: Weder Voll- noch Teilabriss, auch keine Demontage; das Vorhandene sollte in weiten Teilen bleiben, wie es ist. Die Beschaffenheit der verbauten Materialien und vorhandenen Elemente galt es jedoch auf Tauglichkeit zu prüfen, erforderlichenfalls dem Stand der Technik anzupassen und optisch für verschiedene neue Nutzungsarten umzugestalten.
Platz für ambitionierte Architekten
Das Einverständnis der Mannheimer Hafenbehörde kam Peter Schmucker sehr zupass, da er für sein auf 60 Köpfe angewachsenes Team ohnehin auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten war; das angestammte Büro auf den Planken, der Mannheimer Einkaufsmeile, war objektiv betrachtet längst zu klein. Wilhelm Schmucker hatte das erfolgreiche Architekturbüro 1932 mitten in der Innenstadt gegründet und in den Folgejahren zur ersten Adresse unter Mannheims Planungsdienstleistern gemacht. Doch die beengten Räumlichkeiten in der City boten dem auf Industrie- und Health-Care-Projekte spezialisierten Architekturbüro keine Möglichkeiten zur Erweiterung. Der Rheinvorlandspeicher hingegen hatte Potenzial für insgesamt 6.000 Quadratmeter frei gestaltbare Fläche und bot sich somit als neue Zieladresse an.
Neuer Blickfang am Rhein
Gedacht, geplant, gemacht – seit Sommer 2013 ist der 7. Stock im Speicher 7 vom Architekturbüro Schmucker bezogen. Komfortable 1.400 Quadratmeter Bürofläche stehen dort zur Verfügung. Und nicht nur das: „Von hier oben hat man eine unvergleichliche Sicht sowohl auf Mannheim als auch über den Rhein auf Ludwigshafen und die Vorderpfalz", schwärmt Peter Schmucker, dessen Familie den Speicher auf 30 Jahre gepachtet hat – Verlängerungsoption für weitere 30 Jahre inbegriffen. Angesprochen auf die Kostenseite des Umnutzungsprojekts, meint er: „Bei acht Millionen Euro netto Eigeninvestitionen mussten wir schon sehr genau wissen, was wir tun. Aber der Erfolg wird uns Recht geben."
Dafür haben er und seine Mitstreiter an einem Ort, dem vorher kaum jemand etwas abgewinnen konnte, ein Leuchtturmprojekt realisiert, dessen Strahlkraft Mannheim als attraktiven Wirtschaftsstandort weit über die Landesgrenzen hinaus wahrnehmbar macht. „Regional betrachtet ist die Lage das absolute Alleinstellungsmerkmal. Der ganze Hafen befindet sich in Landesbesitz. Der Rheinvorlandspeicher an der Schnittstelle von Industrie, Stadt, Hafen, ICE-Trasse und Fluss ist hier das einzige Gebäude, in dem Büronutzung plus Hotelbetrieb plus Restaurant möglich sind", betont Peter Schmucker, der das Projekt auch als Appell verstanden wissen will, über zeitgemäße Nutzungsmöglichkeiten für ähnliche Gebäude nachzudenken.
Magische Momente
Im siebengeschossigen Speicher 7 haben sich insgesamt sieben Unternehmungen eingemietet; im Erdgeschoss zum Beispiel das Gourmet-Restaurant „Marly", das vormals in Ludwigshafen ansässig war und nun auf Kurpfälzer Seite sterneverdächtige Gaumenfreuden kredenzt; ferner das Hotel „Speicher 7" dessen 20 bis zu sechs Meter hohe Zimmer und Suiten den rauen Charme der Industriestadt Mannheim abwechslungsreich und so gekonnt in Szene setzen, dass das Architekturbüro Schmucker für die gelungene Umnutzung des einstigen Lagerhauses mit dem European Hotel Design Award 2013 ausgezeichnet wurde.
Dipl.-Ing. Werner Aumann, Planer-Objekt-Betreuer in Diensten des Farbenherstellers Caparol, hat die Revitalisierung des ehemaligen Getreidespeichers von Anfang an begleitet. Über das Erreichte kann er nach wie vor nur staunen: „Speicher 7 gilt vollkommen zu Recht als architektonisches Glanzlicht einer im Aufbruch befindlichen Stadt. Dass der markante Kubus mit seiner rostfarbenen Fassade die Anbindung des vormals abseitigen Mannheimer Hafens an die City schafft, ist eine architektonische Meisterleistung, die Vorbildcharakter auch für andere Gebäude in ähnlicher Randlage hat."
In jeder Hinsicht außergewöhnlich
Die umgestaltete Fassade zieht schon von weitem Blicke an – ob man den Hafen vom Mannheimer Schloss her ansteuert, von Ludwigshafen über die Konrad-Adenauer-Brücke kommt oder auf Pfälzer Seite den Rhein entlang flaniert. Das Highlight des ursprünglich reinen Industrie- und Lagerhafens präsentiert sich mit einem markanten Rostschleier überzogen. „Die wellenförmigen Fassadenelemente bestehen aus Cor-Ten-Stahl. Das Besondere an diesem Material ist, dass es durch Bewitterung eine fest anhaftende Sperrschicht bildet, die Korrosion zwar auf der Oberfläche zulässt, in die Tiefe des Metalls hinein jedoch unterbindet. Der Rostschleier liegt also nur oberflächlich auf und kann sich in seiner Anmutung unter Wettereinwirkung permanent verändern, ohne dass die Substanz der Fassadenbekleidung dadurch angegriffen würde", erläutert Aumann.
Fassadenbild im NAST-Verfahren appliziert
Ebenso raffiniert ist das Verfahren, mit dem auf der zur Stadt gewandten Außenseite ein etwa 750 Quadratmeter großes Fassadenbild im Street-Art-Style aufgebracht wurde. Der Künstler Andreas von Chrzanowski alias „Case" gestaltete sein aus neun Quadraten bestehendes Motiv mit der Fassadenfarbe Amphibolin von Caparol, wobei er sich der neuen NAST-Technologie bediente. NAST bedeutet „nebelarme Spritz-Technologie" und ist als High-Tech-Alternative zu Pinsel und Rolle zu verstehen. Ursprünglich ausschließlich für rationelle Beschichtungen mit Lacken gedacht, erwies es sich gerade auf diesen kleinteiligen Flächen als vorteilhaft, da mit dem von Wagner und Caparol gemeinsam entwickelten Spritzgerät die vielen Farben in kürzester Zeit getauscht und gleichmäßig und präzise auf die zu beschichtende Oberfläche aufgetragen werden konnten.
Autor: Achim Zielke
Fotos: www.klaus-hackl.com/Architekten Schmucker und Partner, Mannheim
Bautafel
Objekt
Speicher 7 (vormals Rheinvorlandspeicher), Rheinvorlandstraße 7, 68159 Mannheim
Planer/Architekten
Schmucker+Partner
Planungsgesellschaft mbH
Rheinvorlandstraße 7
68159 Mannheim
Fon 06 21/1 07 02-0
Fax 06 21/1 07 02-48
Mail schmucker@schmucker-partner.de, Web www.schmucker-partner.de
Fassadenmalerei
Streetart-Künstler „Case"
Andreas von Chrzanowski
Josef-Benner-Weg 7
65934 Frankfurt am Main
Fon 01 77/4 66 49 18
Mail case@maclaim.de, Facebook case_maclaim, Web www.case-maclaim.de
Bauzulieferer
Caparol Farben Lacke Bautenschutz GmbH
Roßdörfer Str. 50
64372 Ober-Ramstadt
Fon 0 61 547/71-0, Fax 0 61 54771-13 91
Mail info@caparol.de, Web www.caparol.de
Fachberater
Dipl.-Ing. (FH) Werner Aumann
Caparol Planer-Objekt-Betreuer
Rheinstraße 2
76774 Leimersheim
Fon 01 71/5 52 06 79, Fax 0 72 72/18 35
Mail werner.aumann@caparol.de